Chaos-Tage in Österreich
Wien – Nach dem Ibiza-Video bleibt in der österreichischen Politik kein Stein auf dem anderen. Blaue und Rote jagen den blutjungen Bundeskanzler Sebastian Kurz aus dem Kanzleramt. Neue Bundeskanzlerin der Alpenrepublik ist mittlerweile die Verfassungsgerichtspräsidentin Brigitte Bierlein aus Wien. Wie immer in Österreich fallen alle wichtigen politischen Entscheidungen ausschliesslich in Wien. Auch wenn die Hintermänner des Ibiza-Krimis vermutlich endgültig nie aufgedeckt werden, gibt es durch den Sturz von FPÖ-Chef Heinz Christian Strache bereits jetzt mehrere politische Gewinner. Allen voran wäre hierbei der mächtige Österreichische Rundfunk (ORF) vom Wiener Küniglberg und die einflussreiche Kronen Zeitung von Verleger Christoph Dichand zu nennen. Den ORF, im Volksmund auch Rotfunk genannt, wollten die Freiheitlichen politisch umbauen und die Zwangsgebühren abschaffen.
Vermeintlich rote Journalisten sollten durch blaue, linientreue Presseredakteure ersetzt werden. Ein besonderer Dorn im Auge war den freiheitlichen Medienpolitiker dabei vor allem der rote, journalistisch jedoch hochqualifizierte ORF-Moderator Dr. Armin Wolf. Die Pläne vom politischen Umbau des Österreichischen Rundfunks (ORF) sind durch das Scheitern der schwarz-blauen Regierung nun vorerst vom Tisch. Am Wiener Küniglberg ist wieder Ruhe eingekehrt. Erstaunlich ist auch, dass das Ibiza-Video nicht zuerst von österreichischen Presseorganen gebracht wurde, sondern die mächtige Süddeutsche Zeitung im bayerischen München und das Nachrichtenmagazin Der Spiegel in Hamburg mit ihren medialen Angriffen die Alpenrepublik erschütterten. Viele Medien in Österreich werden mit Millionenbeträgen nicht nur im Wahlkampf gefüttert. Daraus ergeben sich wirtschaftliche Abhängigkeiten, die eventuell erklären, warum der politische Druck aus Bayern und Hamburg notwendig war.
Die Tatsache, dass der blutjunge ehemalige Bundeskanzler Österreichs Sebastian Kurz immer wieder wichtige politische Statements via deutscher BILD Zeitung abgibt, wird in Österreich nicht nur von den Freiheitlichen kritisch gesehen. Die Staatskrise in Österreich zeigt aber auch endgültig, dass Sebastian Kurz ein mit allen politischen Wassern gewaschener Vollprofi ist. Dies haben jetzt auch die Freiheitlichen erkannt. „Wir haben dann ein anderes Gesicht von Kurz gesehen, nicht das freundliche, ewig lächelnde. Der Griff nach der Macht ist widerlich !“, sagte der ehemalige Innenminister Österreichs Herbert Kickl bei der Debatte im Österreichischen Nationalrat am 27.5.2019 anlässlich des Kurz-Sturzes. Auch Herbert Kickl gilt ähnlich wie Sebastian Kurz oder der langjährige Nationalrat Peter Pilz (früher die Grünen, mittlerweile Liste JETZT) als politischer Vollprofi.
Wer die Ergebnisse der Europawahl am 26.5.2019 in Österreich genau analysiert, der muss ohne wenn und aber erkennen, dass die Freiheitlichen trotz leichter Verluste mittlerweile eine Stammwählerschaft von rund 18 Prozent aufgebaut haben.
Vor allem Politiker der SPÖ wollen dies immer noch nicht glauben. Die gegenwärtige SPÖ-Vorsitzende Pamela Rendi-Wagner ist eine charmante Ärztin. Der raue, politische Wind, der dieser SPÖ-Seiteneinsteigerin derzeit entgegen bläst, ist jedoch heftig. Wollen die Sozialdemokraten Österreichs wieder erfolgreich werden, müssen sie möglichst rasch den politisch erfahrenen Wiener Bürgermeister Michael Ludwig an die Spitze ihrer vor allem in Wien starken Organisation wählen. Man darf bereits jetzt mit Spannung auf die Nationalratswahl am 29. September 2019 blicken. Dann wird sich zeigen, ob der gestürzte Bundeskanzler Sebastian Kurz in der Lage ist, endlich eine stabile Regierung auf die politischen Beine zu stellen. Sollte dies nicht gelingen, dürfte Brigitte Bierlein noch länger Bundeskanzlerin der Alpenrepublik bleiben.